Warten auf Manny...

Lieber Manfred,

den gegenseitigen Respekt vor der jeweils autodidaktisch erlernten Musizierleistung des anderen erwarben wir vor etwa 40 Jahren: An Weiterbildungswochenenden der DPSG (Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg), bei denen du die Führung abendlicher Musikgestaltung übernahmst, versuchten wir, Volkslieder und verschiedene allseits bekannte Melodien zu arrangieren und aufzuspielen. Orffsches Instrumentarium und mitgebrachte Instrumente der Teilnehmer/Innen bildeten unsere (Improvisations-) Grundlage, auch Flaschenxylofon und Gießkannenhorn fanden einmal Verwendung. Weiterhin war es Tradition im Kreis unserer Mellrichstädter Jugendarbeit, dass wir uns an Ostern und Weihnachten im Gasthaus Holzberghof in der Rhön zum „Offenen Musizieren“ trafen.

Daraus erwuchs deine Idee, mit Michael und mir ein ca. 60-minütiges Programm an Volksliedern einzustudieren und im Rahmen des Mellrichstädter Stadtfestes 1983 zweimal zur Aufführung zu bringen. Unsere gemeinsame Freude am Musizieren sowie viele positive Feedbacks beflügelten dich „uns drei“ zusammenzuhalten. Deine Vorliebe für die „Folkmusic“ sorgte für Impulse bei unserem gemeinsamen Musizieren, was sich auch in unserem Musikinstrumentarium niederschlug: Böhmischer Bock, Tinwhistle, Schreyerpfeiffe, Bombarde, Uillean Pipes und diatonische Ziehharmonika gehörten wie Gitarren, Mandolinen und Autoharp zum Klangbild.

Beim Zusammenbringen von Posaune, Gitarre und Bombarde scheiterten wir trotz mehrerer Anläufe allerdings kläglich. Auch Jazzklangfarben wollten uns nie gelingen. Bei einer gewissen Publikumsgröße war eine Verstärkeranlage vonnöten, welche du mit entsprechendem Sachverstand besorgtest. Mit unermüdlichen und akribischen Soundchecks sorgtest du für ein gutes Klangbild. Wir spielten bei Hochzeiten auf, gaben kleine Konzerte und trafen uns mehrmals im Jahr zum „Freispielen“, wie Michael es nannte. Wir spielten uns gegenseitig Tonfolgen vor und versuchten daraus gemeinsam Melodien und Arrangements zu entwickeln. Ein Aufnahmegerät sicherte die erarbeiteten Ergebnisse, so dass wir auf gelungenen Ansätzen weiter aufbauen konnten. Nach über sechs Jahren hatten wir es endlich geschafft: Ein ca. 90-minütiges Programm war erarbeitet und über die Hälfte der Aufführungszeit konnten wir mit Eigenkompositionen aufwarten.

Nach mehreren Umzügen, persönlichen und beruflichen Veränderungen erkannten wir 1991 schließlich, dass wir eine Grenze unseres gemeinsamen musikalischen Fortkommens erreicht hatten, welche nur durch verstärktes gemeinsames Proben und jeweils persönlicher Weiterbildung hätte überschritten werden können. Angesichts der uns einschränkenden zeitlichen und räumlichen Möglichkeiten entschieden wir uns für das Beenden unseres gemeinsamen musikalischen Wegs.

So möchte ich dir auf diesem Weg noch einmal „DANKE“ sagen: Danke, für viele stundenlange Gespräche, z. B. bei Kerzenschein in einer Scheune auf der Schwäbischen Alb, unterwegs im Auto durch Nordfrankreich, im Gönzer Wohnzimmer bei einem Hausschoppen, bei Weißbier in deinem Eibelstädter „Wohnzimmermusikstudio“, bei Kaffee in deinem Mellrichstädter Elternhaus, ... Danke, für deine unzähligen einladenden Klang- und Tonvorgaben, die häufig Grundlage unseres gemeinsamen Musizierens waren. Du hast einen wichtigen Teil meiner Persönlichkeitsentwicklung wohlwollend und freundschaftlich in deiner unverwechselbaren Art begleitet.

In Verbundenheit

Dietmar

Möge seine Seele froh sein

Navid Kermani, „Morgen ist da“, Verlag C.H. Beck, München 2019, S. 185